Junge Chinesen bauen Stress mit Kunsthandwerk ab Deutschland

APRIL 23, 2022

Teilnehmer eines Tufting-Workshops in Peking verwenden Bastelpistolen, um Matten und Teppiche herzustellen.

Nora Peng schießt mit einer Bastelpistole Garn durch ein Stoffsieb und verleiht einem Teppich in Form eines Corgi-Pos den letzten Schliff – das perfekte Hobby zum Stressabbau in ihrem hektischen Alltag.

Sie ist eine von immer mehr Menschen, die sich dem Kunsthandwerk „Tufting“ widmen, da die jüngeren Generationen des Landes nach Möglichkeiten suchen, dem täglichen Hamsterrad des Alltags zu entfliehen.

Bei diesem Kunsthandwerk können vielseitige Formen und Muster entstehen, indem mithilfe einer Spezialpistole Garn durch auf einem Holzrahmen befestigten Stoff gefädelt und geschnitten wird.

„Ich finde, Tufting ist sehr stressabbauend“, sagte die College-Studentin Peng, deren Stimme fast vom Lärm der Tufting-Pistole übertönt wurde.

„Ich muss jeden Tag Schulbücher lesen und das ist anstrengend.“ Jedes Wochenende zieht die Tufting-Werkstatt iHome in Peking Scharen junger Handarbeitsliebhaber an, die den Tag damit verbringen, sorgfältig Garn zu weben.

An einem Samstag vor kurzem drängten sich rund zwanzig junge Leute, überwiegend Frauen, in dem hell erleuchteten Studio, jeder von ihnen hielt eine Tufting-Pistole in der Hand.

„Es erfordert viel Geduld, aber wenn man den Dreh erst einmal raus hat, ist das Tuften nicht schwierig“, sagte Yan Xinyue, ein Tufting-Anfänger und Mitarbeiter des Staatsunternehmens, gegenüber AFP.

Geplauder und Gelächter erfüllten den Raum, als sie innehielten, um die Designs der anderen zu vergleichen und zu bewundern – meist Teppiche mit Cartoonfiguren oder bunt geflickte Handtaschen und Spiegel.

Peng beschloss, es zu versuchen, nachdem sie gesehen hatte, dass das Handwerk in den sozialen Medien im Trend lag.

„Alle machen das, also dachte ich, ich komme und probiere es auch.“ Ihr frecher Corgi-Hinterteil-Teppich sei ein Schlafplatz für ihre Hauskatze, sagte sie.

„Ich finde es süß und lustig“, lachte sie. „Der kleine Hintern eines Corgis ist heutzutage sehr beliebt.“

Die Popularität von Tufting wurde durch Online-Influencer enorm gesteigert.

„Das zu machen, hat mir ein Gefühl der Befriedigung gegeben“, sagte Shi Ba, eine Influencerin, die Workshops für ihre Online-Follower bewertet.

STRESSABBAU – Chinas junge Erwachsene sind von Sorgen über die hohen Belastungen des Lebens, zu denen auch die zunehmende Ungleichheit sowie die steigenden Lebenshaltungskosten und Immobilienpreise gehören, belastet und suchen nach neuen Wegen, um abzuschalten.

Laut Xu Shen, dem Gründer der iHome-Tufting-Werkstatt, sind gestresste junge Menschen unter dreißig die typischen Tufting-Liebhaber.

Sie wollen „ihre langweilige Arbeit vergessen und sich nur auf das Kunsthandwerk konzentrieren“, sagte er gegenüber AFP.

Tufting sei in China erst in den letzten drei bis fünf Monaten populär geworden, fügte er hinzu, aber die steigende Nachfrage nach diesem Handwerk habe dazu geführt, dass er in der ganzen Hauptstadt bereits neun Geschäfte eröffnet habe. Jedes davon habe Hunderte von Kunden pro Woche – viele davon seien über soziale Medien angelockt worden.

Laut der Buchungsseite Dianping gibt es mittlerweile allein in Peking mehr als 140 Tufting-Workshops.

Die Herausforderung liege jedoch darin, Stammkunden zu gewinnen, sagte Mao Wei, der Besitzer der Tufting-Werkstatt im Horus Club, gegenüber AFP. Viele seien nur einmalige Besucher, die „aus Neugier“ kämen, sagte er.

Das Hobby erfreut sich einer großen Beliebtheit, da es junge Leute anzieht, die neben ihrer Arbeit nach Unterhaltung suchen, sagte Xu. „Wir wissen, dass Tufting wahrscheinlich eine Engpassphase durchmachen wird und der Markt nicht mehr wachsen wird, wenn er eine bestimmte Größe erreicht hat“, räumte er ein.

„Aber die Tendenz ist immer noch steigend.“